Die indirekt indirekte Rede
Ist das wirklich so schwer? Anscheinend ja. Spielen wir deshalb ein für alle Mal vier Fälle durch:
1. Die Originalaussage:
Es gibt leider immer noch Studenten, die kein Deutsch können.
Der Konjunktiv I = „gebe“ in Verbindung mit dem vorangehenden Indikativ „Meister…sagt“ markiert eindeutig, wer die Aussage macht: Meister 2014. Und er sagt wohlgemerkt in Satz 1 NICHT, dass die Studenten kein Deutsch „könnten“ (KONJUNKTIV), sondern dass sie keines „können“ (INDIKATIV).
4. Das indirekte Zitat:
Wichtig ist beim indirekten Zitieren, dass
- bereits VORHER der originale Sprecher angegeben worden ist, und dass dies
- eindeutig und genau 1 Mal geschieht.
Richtig wären damit folgende Varianten:
- Meister (2014) hat eine Polemik zum Sprachgebrauch publiziert. Er behauptet, es gebe leider immer noch Studenten, die kein Deutsch können.
- In seinem Aufsatz behauptet er, es gebe leider immer noch Studenten, die kein Deutsch können.
- In Meister(2014) wird behauptet, es gebe leider immer noch Studenten, die kein Deutsch können.
FALSCH HINGEGEN IST:
- Meister zufolge werde behauptet, dass es leider immer noch Studenten gebe, die …
Das ist eine mehrfache und damit uneindeutige Markierung. Sie suggeriert, dass es noch irgendeinen anderen, jedoch namentlich nicht genannten Sprecher gibt (diese Redesituation ist markiert durch das erste ‘werde’), dessen Aussage hier indirekt wiedergegeben wird – wobei der Inhalt der Aussage dieses mysteriösen ersten originalen Sprechers wiederum die indirekte Wiedergabe der Aussage des zweiten originalen Sprechers ‘Meister 2014’ ist (diese zweite Redesituation wird markiert durch das ‘gebe’). Kurz: werde & gebe ist doppelt gemoppelt.
Aber ganz genau genommen ist die Sache sogar noch vertrackter – denn zufolge & werde behauptet, dass & gebe sind ja eigentlich gleich drei Markierungen einer indirekten Redesituation:
- “Meister zufolge…” – Mit dieser ersten Markierung teilt der anonyme Sprecher des Gesamttextes seinem Leser mit: “Also pass mal auf, was jetzt anschließend kommt, ist ja garnicht meine eigene Meinung, sondern ich referiere nur, was dieser Meister behauptet hat. Wenn Du ein Problem mit der Behauptung hast, wende Dich also an Meister!”
- “… werde behauptet, dass es leider immer noch Studenten…” – Mit der zweiten Markierung “werde” stellt dieses Schlitzohr Meister nun allerdings seinerseits klar: “Aber hör mal – ich gebe hier doch auch nur in indirekter Rede wieder, was wiederum jemand anderes gesagt hat! Wenn Du also ein Problem mit der Behauptung hast, dann wende Dich bitte gefälligst an diesen dritten Sprecher!”
- “… Studenten gebe, die …” – Und mit dem neuerlichen Konjunktiv I “gebe” haben wir dann die dritte Markierung einer indirekten Rede! Der ungenannte dritte Sprecher verweist also seinerseits auf einen vierten, und wir sind als Leser lost in indirect speech…
Fazit: Die vierfach verschachtelte Redelogik der Formulierung “Meister zufolge werde behauptet, dass es leider immer noch Studenten gebe, die…” ist die einer Briefkastenfirma auf den Bahamas. Man wird als Leser von einer Instanz zur nächsten durchgereicht, geht im grammatikalischen Bermudadreieck über Bord und schwimmt zur nächstbesten Insel, um am Strand liegend Caipirinhas zu schlürfen, bis irgendwann Godot oder sonstwer vorbeikommt und die Verantwortung für die skandalöse Behauptung übernimmt. – Wie lautete die gleich nochmal? Irgendwas über Studenten und Deutsch; egal – ja, ich nehme noch einen, klar.
Loide, Loide…