vita contemplativa

  • the canvas

    each step a brush
    across the canvas set upon the trestle
    of my mind

    each stroke
    a whiter shade of pale
    welcoming the sublime

    each rock, each plant
    the gods they grant
    for us to paint them all
    upon the canvas without trestle
    the canvas of our soul

    Photograph by Jo-Anne Hay (2025)

  • our turn


    there is no such thing
    as the currency
    of offering:
    with mortals the gods do not barter

    neither appeased by our praise
    nor amused by our scorn
    the dice will be rolled

    the next turn in a game
    we're invited to play
    not for loss, not for gain

  • zuletzt wie zuerst

    Kann mir jetzt mal jemand (ich hab ihn vergessen)

    den wahren Grund dafür sagen, nach Jahren

    das eigene Leben zu vermessen

    anstatt am absolut Unzählbaren

    von Mal zu Mal Einmaligkeit zu suchen?

    Bloß existentielles Konto zu buchen

    im Dienst chronologischer Bilanzen?


    Auf Vieren - so lehrt uns das Gleichnis - beginnt's

    auf Zwei'n triumphiert's,

    auf Dreien verrinnt's 

    das menschliche Sein.


    Die markerschütternde Lehre vom Ganzen?

    Es gibt keine Zeit und es gibt auch kein

    Ganzes.

    Es gibt überhaupt nix jenseits dieses Jetzt 

    Zuletzt wie Zuerst gibt's nur Gegenwart.


    Philosophisch gesehen durchaus apart

    und profund, meine Quintessenz.

    Punktum Exzellenz --

    aus dem Ei geschlüpft nun und aufs Neue ins Sein

    Pointierter gesagt: Compagnero, hau' rein!


    PS: Ja, ja, ich weiß da oben hängt

    in der Luft noch unbereimt ein "Ganzes"...

    Ein Schuft, wer dabei Böses denkt

    z.B.: an die Länge des göttlichen –

    OK, ok, geschenkt, geschenkt! –

    Wir bleiben im Bild: "Eiertanzes".

  • tugendlehre

    in sand gebettet das scherbenglück

    am muschelstrand

    mußt nicht aufs ganze gehen

    kannst in dem bruchstück sehen

    abwesendes

    als wär’s zur Hand.

  • sprache der Verheißung

    zwangsgesäugt mit der milch

    reiner denkungsart

    wirst du ins partizip erhoben:

    frei von der last des geschlechts,

    geadelt von keuscher lust

    am geborgten geschick.

  • tara iti

    East by South-East:

    This morning of the Fairy terns

    let us be brave and steadfast

    while the edges

    frizzle in on us

    Inspired by the painting “Tara iti Reflections”, 2020 by Nicholas Dillon. For the original see Dillon (2020): Drawn to the Wild, page 39

  • jahresspur

    am ebbenden wörtermeer

    die dekade beschlossen:

    die welt zieht strudelnd sich in sich zurück

    im wogensaum glitzert

    die jahresspur

  • sans métronome

    im fallrohr haust

    eine synkope

    klopft ihre regenarabeske

    sprunghaft und unstet, ne-

    ckenden takts ohne gera-

    de zahl.

    und fügt sich doch,

    orakelt was von ‘melodie’